24 Dreißig Jahre ist es jetzt her, dass die Kicker um Manfred Kaltz den Europa- pokal der Landesmeister holten. Die Helden sind älter geworden, aber nicht müde. Und wie sieht es mit denen aus, die damals Fan und nicht Supporter hießen und statt zur Nordtribüne der Imtech-Arena in die Westkurve des Volksparkstadions pilgerten? Zwei runde Geburtstage begeisterten 2013 diejenigen, die seit Jahren Fans des Hamburger Sport-Vereins sind. Im Au- gust jährte sich der erste Anpfiff zur Bundesliga zum 50. Mal, damit ist auch der HSV 50 Jahre dabei. UndAnfang des Jahres feierte Spieler-Legende Manfred Kaltz seinen 60.Allerdings spendierte der HSV kein Jubiläums-Turnier, obwohl der Verein die Tradition hoch hält wie kein zweiter. So zählt etwa der Seniorenrat des HSV die Traditionspflege zu den vor- nehmstenTugenden undAufgaben dieses Gremiums beim HSV. „Das ist die wich- tigsteAufgabe“, sagt Hans-Georg Wiese, Jahrgang 1937 mit 15 Jahren in den Ver- ein eingetreten und einer der agilstenVer- treter der „Gemeinschaft der Senioren im HSV“. Bei Schorsch, so nennen ihn hier alle, erwachte die Liebe zur Raute im Jahr der Olympiade in Helsinki. Seit 1952 ist Schorsch dabei. Seine Helden von damals heißen Gerhard Krug oder Uwe Reuter, beide in der Meis- termannschaft von 1960 und natürlich „uns Uwe“ Seeler.Wiese ist das, was man „old school“ nennt: Einer aus der alten Schule. Der frühere Einkaufsleiter einer Weltfirma bekam von den Vereinsoberen die silberne Ehrennadel für besondere Verdienste. Ehrenmitglied ist er seit 2002. Und jeden ersten Montag im Monat trägt er stolz seine goldene Ehrennadel für 50- jährige Mitgliedschaft am Revers, wenn er ins Hamburger Hotel Elysée geht. Hier treffen sich die HSV-Senioren. Die Nobe- ladresse hat einen Grund: Elysée-Chef Eugen Block, Hotel-Chef und Besitzer der gleichnamigem Steakhouse-Kette, ist ebenfalls HSV-Fan und stellt sein Haus den Senioren zur Verfügung. Die Senioren sind wer in der Familie des HSV. Das wissen auch die Trainer. Der entlassene Thorsten Fink stand den Grandseigneurs des HSV noch vor sei- nem Zwangsabschied Rede undAntwort. Wiese redete Klartext. Warum Fink denn so spät noch Spieler auswechsle. Das bringe doch nur Unruhe in die Mann- schaft. Warum von zehn Einwürfen neun beim Gegner landen, und warum die Ecken von Rafael van derVaart beim geg- nerischen Torwart landen. Wiese, der einst die Hobbyfußball-Abteilung des HSV leitete und 1971 die Schiedsrichter- Helden werden älter, Fans auch. prüfung ablegte, spielte seine ganze Erfahrung aus. Finke habe „nur ge- grummelt“, so Wiese. Die Senioren hatten ein Heimspiel. Doch manchmal steht auch die Senioren-Gemeinschaft den Irrungen und Wirrungen des Profi-Clubs nicht nach. Zumindest wunderte sich Wiese, dass er es bei der Jahresmitgliederversammlung 2013 Anfang Oktober nicht in die Spitze des Seniorenrats schaffte. In das siebenköpfige Gremium gewählt wurdeThorsten Runge, 44. Die Zeiten ändern sich. Beim HSV wie bei den Senioren. War früher alles besser? Das einstige Volksparkstadion, das in den 1950er Jahren auf Kriegstrümmern entstand, hatte Platz für 70.000 Zuschauer, auf Holzbänken in den Geraden und Stehplätzen in den Kurven. Aber es gab so gut wie keine Stimmung in der Betonschüssel. Früher kostete eine Stehplatz-Dauerkarte DM 180,– pro Jahr. Heute kosten Sitzplatz- Dauerkarten für Normalsterbliche € 199,– bis € 525,–. Für Logen legen Firmen pro Saison zwischen € 49.000,– und € 229.000,– hin. Früher hießen die Anhänger des HSV Fans, heute sind sie organisiert, nennen sich stolz Supporters und sind ebenso stolze 57.000 Köpfe stark. Es gibt einen Kids-Club, aber keine Oldie-Lounge. „Es gibt keine speziellen Angebote für ältere Fans durch den HSV. Das gilt allerdings für fast alle erwachsenen Mit- glieder und Fans, altersgruppenspezi- fische Angebote gibt es nur im Bereich von Kindern und Jugendlichen“, sagt Jo- achim Ranau, Fanbeauftragter des HSV. Dabei tragen etwa geschätzte zehn Pro- zent graues Haar zum blauenTrikot, wenn sie die Rothosen anfeuern. Im harten Kern der HSV-Familie sind 4.005 Männer und 370 Frauen aus der Abteilung „För- dernde Mitglieder“ über 60 Jahre alt, bei insgesamt 67.000 Mitgliedern. Im HSV-Supporters-Club sind 3.443 Männer und 334 Frauen über 60 Jahre alt. Einer der prominentesten älteren Mitglieder ist Dr. Peter Krohn, ehemali- ger HSV-Präsident und noch mit über 80 Jahren aktiv am Vereinsleben beteiligt. Ranau, erklärt wie sich der HSV darauf einstellt, dass immer mehr Hamburger und damit auch Fans älter werden: „Es gibt noch keine Überlegungen, spezifi- sche Angebote für ältere Fans jenseits der 60 Jahre zu entwickeln. Das Stadion ist weitestgehend behindertengerecht, baulich sindVorkehrungen getroffen, um auch Rollstuhlfahrern einen angeneh- men Stadionbesuch zu ermöglichen. Wir versuchen auf die Bedürfnisse aller Fans, mit oder ohne Handikap, einzuge- hen. Zudem gibt es zwei Behinderten- fanbeauftragte, die die Interessen von Fans mit Handikap besonders im Blick haben. Es gibt zum Beispiel spezifische Zuschauerplätze für Menschen mit Seh- behinderungen. An Abholdienste ist nicht gedacht, allerdings unterstützen wir natürlichAktivitäten der Wohlfahrts- verbände oder ähnlicher Einrichtungen. So hat der Begleiter von Rollstuhlfah- rern freien Eintritt.“ Und für die ganz eingefleischten Älteren ist der HSV spendabel. Wer über 50 Jahre im Verein ist, bekommt eine Dauerkarte. „Das macht sonst kein Verein“, sagt Wiese. Der HSV e.V. hat insgesamt 32 Abtei- lungen. Ältere Mitglieder sind vor allem hier vertreten: Bowling, Gymnastik, Herz-Sport, Jedermann und -frau-Sport, Schwimmen, Skat, Tanzsport. Interes- sierte sind, unabhängig von ihrem Alter, in allen Abteilungen willkommen. Die genauen Angebote, Treff- und Trai- ningszeiten sind über die Abteilungslei- ter/-innen zu erfahren. Info: www.hsv.de/ verein/sport-im-hsv/abteilungen. Dr. Riedel © SeMa Joachim Ranau - Fanbeauftragter des HSV