Ein einzigartiger Mensch
Heidi Kabel lebte mit Leib und Seele für ihr Ohnsorg- Theater. Ihr großes Herz ging auf, wenn sie die Bretter ihres Haustheaters betreten durfte. Hier spielte sie fast 65 Jahre ununterbrochen. Das Theater in Hamburg war ihr Leben, wie sie sagte. Ihre Rolle in „Tratsch im Treppen- haus“ hat sie unsterblich werden lassen. Ich lernte Heidi Kabel im Januar 1978 zum ersten Mal per- sönlich kennen. Mein erster Auftrag als freiberufliche Re- porterin führte mich hinter die Kulissen des Ohnsorg-The- aters. Ich sollte der damals 63-Jährigen Fragen stellen und sie fotografieren. Heidi Kabel merkte mir meine große Auf- regung an. Sie legte ihre Hand auf meine und sagte: „Keine Sorge, das kriegen wir schon hin“. Diese ihr eigene Mensch- lichkeit und Herzlichkeit zogen sich durch die 32 gemeinsa- men Jahre. Sie ließ sich gern fotografieren. Ich durfte sie zu vielen ihrer Auftritte begleiten, aber auch private Stunden mit ihr verbringen. In ihren Urlauben in Abano bummel- ten wir über Märkte, wo sie Mitbringsel für ihre fünf Enkel suchte. Wie gern hätte sie eine Enkelin gehabt: „Ich könnte dann schöne Kleidchen und Schmuck einkaufen und nicht nur Schlipse und Jungsdinge aus Italien mitbringen.” Sie teilte mit mir, wenn wir in Hamburg unterwegs waren, ihren Lieblingskuchen (Apfel, aber immer ohne Zimt, den mochte sie nicht) oder aßen gemeinsam ihr Lieblingsessen, Steak mit krossen Bratkartoffeln. Sie liebte besonders den Geruch der Elbe, Maiglöckchen, Vergissmeinnicht, Boh- 18 nenkaffee, pastellfarbene Kleidung und ihre lange Perlenkette, die sie häufig pri- vat trug. Ihre Lieblingsfarbe war blau, ihre Lieblingsbücher immer die Drehbücher. Ihre hanseatische Lebenslust, aber auch Zu- rückhaltung gefielen mir immer sehr und sie schätzte meine Zuverlässigkeit und wenn nötig, auch Verschwiegenheit. So wurde ich zu ihrer „Hausfotografin“ und ihr Schatten bei offiziellen Presseterminen, wie meine Kollegen scherzhaft sagten. Sie strahlte eine unglaubliche Lebens- freude aus. Bis ins hohe Alter war sie wach, fle- xibel, neugierig und interessiert am Weltgesche- hen und der Politik. Bei meinen Besuchen im Seniorenstift ab 2003 berichtete sie mir von ihrer Kindheit und Jugend und auch darüber, dass sie nur mit Jungen spielte, viel Zeit inWeihe ver- brachte, im Krieg oft für ihre Familie Kartoffeln sammelte und dass ein Brot eine Billion kostete. Sie fragte mich oft nach IHREM Ohnsorg-The- ater. Sie hätte sich sehr über den Neubau am Hauptbahnhof gefreut, wenn sie die Eröffnung noch hätte erleben dürfen. Dieser Platz hat ihren Na- men bekommen und sie steht lebensgroß aus Bronze vor dem Eingang zu „ihrem“ Theater. Der Intendant des Ohnesorg-Theaters, Christian Seeler, überreichte ihr zu Die lebensgroße Statue von Heidi Kabel vor dem Ohnsorg-Theater Das Ehepaar Kabel/Mahler 1961 Heidi Kabel mit ihren Kindern Heidi Kabel mit Marion Schröder Ein einzigartiger Mensch Ein persönlicher Rückblick unserer Redakteurin Marion Schröder zum 100. Geburtstag von Heidi Kabel Im Urlaub in Abano 1991 – Ein Mann mit CharakterChristian Seeler überreicht die Ehrenurkunde des Ohnsorg-Theaters